Hub Südamerika: Interview

Verbesserung des menschlichen Wohlergehens und Verhinderung der Entwaldung im Amazonas-Regenwald

Der Hub Südamerika versteht sich als Katalysator für die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Massnahmen, die sowohl den lokalen Gemeinschaften zugutekommen als auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen. Im Fokus der Arbeiten steht der peruanische Amazonas, insbesondere die Region Madre de Dios.

Miguel Saravia

Miguel Saravia

Direktor des Hubs Südamerika, seit Mai 2022 bei der Wyss Academy

Wie sind Sie zur Wyss Academy gekommen?

Seit rund dreissig Jahre arbeite ich im Bereich der nachhaltigen Entwicklung in der Anden-Amazonas-Region. Hier habe ich Projekte entwickelt und umgesetzt sowie auf verschiedenen Ebenen Engagementprozesse mit Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen organisiert und den Politikdialog gefördert. Während dieser Zeit wurde mir bewusst, dass die verschiedenen Akteure in getrennten Silos arbeiteten und sich nur mit den eigenen Interessen befassten. Keine der Gruppen wollte ihre Komfortzone verlassen. In der heutigen Zeit brauchen wir jedoch Mut zu kollektiven Massnahmen, denn nur so können wir eine nachhaltigere Zukunft aufbauen. Wir müssen die Silos aufbrechen und die Bedingungen dafür schaffen, dass alle betroffenen Interessengruppen zusammenkommen und gemeinsam konkrete Wege entwickeln, um das Leben der Menschen zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Die Wyss Academy bietet mir den Rahmen, dies zu tun. Hier kann ich wirklich etwas verändern und an der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft mitwirken. Deshalb bin ich hier.

South America Interview

Foto: Pavel Martiarena Huaman

Eines Ihrer Anliegen besteht darin, sicherzustellen, dass in den Projekten der Wyss Academy auch lokale Perspektiven vertreten sind. Warum halten Sie das für so wichtig?

Wenn wir Interessengruppen mobilisieren, um im Co-Design Lösungen für eine gemeinsam identifizierte Herausforderung zu entwickeln, müssen wir das Wissen, die Erfahrung und die Fähigkeiten dieser Akteur*innen wertschätzen und berücksichtigen. Wir können darauf aufbauen und das Wissen, das in verschiedenen Zusammenhängen und von diversen Stakeholdern generiert wurde, vernetzen. So stehen unsere Chancen gut, dass wir etwas Neues schaffen können, das den lokalen Gegebenheiten effektiv entspricht. An der Wyss Academy wollen wir berücksichtigen, was in der Vergangenheit getan wurde, und herausfinden, ob dies als Ausgangsbasis genutzt werden kann, damit erfahrene Wissenschaftler*innen später auf dieser Grundlage neues Wissen schaffen können. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine andere Qualität von Wissen entsteht, wenn Erkenntnisse aus dem Globalen Süden in die Forschung einfliessen. Wir führen einen Dialog auf Augenhöhe, um wirksamere Lösungen zu finden.

Wie nutzen Sie die Erkenntnisse, die auf Veranstaltungen wie UN-Klimakonferenzen vorgestellt werden, um die Klimakrise zu bewältigen und die Artenvielfalt zu erhalten?

Wir müssen verstehen, wie sich der Klimawandel auf die Lebensgrundlagen der Menschen auswirkt und auf den Erhalt der Biodiversität. Da wir evidenzbasiert vorgehen wollen, sind Klimakonferenzen eine wichtige Quelle für neue Erkenntnisse, auf die wir bei der Ausgestaltung unserer Aktivitäten mit unseren Partnern zurückgreifen. Gleichzeitig rechnen wir damit, dass auch unsere Aktivitäten und unsere Forschung wichtige Resultate und Erkenntnisse liefern, die an UNO-Konferenzen zur Diskussion über tragfähige Lösungsansätze beitragen können. Sehr bedeutsam ist, dass globale Konferenzen den politischen Willen zum Umdenken und anders Handeln stärken können. Das ist von grundlegender Bedeutung für das Herunterbrechen von hochrangigen politischen Diskussionen auf konkrete Fragestellungen und Lösungsansätze, welche auf die Verbesserung des Lebensalltags lokaler Gemeinschaften und auf den Schutz der Umwelt abzielen.

South America Interview

Foto: Pavel Martiarena Huaman

South America Interview

Foto: Pavel Martiarena Huaman

South America Interview

Foto: Pavel Martiarena Huaman

Die Wyss Academy will ein globaler Wegbereiter sein für Innovationen, die Systemtransformationen ermöglichen. Können Sie uns an einem Beispiel in Peru erklären, was das bedeutet?

Sehen wir uns den Goldabbau in Peru an, der die Biodiversität beeinträchtigt und illegales Schürfen anzieht. Wir wollen zum Aufbau einer gerechteren Wertschöpfungskette für den kleingewerblichen, handwerklichen Goldabbau beitragen. Hierfür müssen wir zusammen mit lokalen Regierungen, Forschungspartnern, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Produzentenorganisationen eine gemeinsame Vision entwickeln, um nachhaltige Antworten zu finden. Wenn wir sie einbeziehen, können wir die bestehende Wertschöpfungskette wirklich verändern. Kulturelle Aspekte, sozioökonomische Fragen und auch die politische Dimension müssen berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die regionale Governance, wenn wir als Wegbereiter für die Visionsentwicklung agieren und Menschen zusammenbringen wollen. Da der Goldabbau in Madre de Dios aber mit dem globalen Goldmarkt verbunden ist, brauchen wir auch systemische Innovationen, um die Wertschöpfungskette auf globaler Ebene zu transformieren. Hierfür müssen wir mit Regierungen, internationalen Organisationen, grossen Privatunternehmen und denjenigen, die Gold nachfragen, in Dialog treten.

Die in Europa als Paranuss bekannte Nuss aus dem Amazonasgebiet stand im Hub Südamerika schon immer im Blickpunkt. Welchen Wert hat dieses Produkt?

Die Paranuss, auch Castaña genannt, ist ein wichtiges Nichtholzprodukt des Waldes. In Madre de Dios sind rund 20 000 Menschen involviert in diese Wertschöpfungskette, die eine wichtige Einkommensquelle für die lokalen Gemeinschaften darstellt. Gemeinsam mit Nussbauern und -bäuerinnen sowie anderen wichtigen Akteur*innen arbeiten wir an der Verbesserung der Wertschöpfungskette. Damit steigern wir die Erträge und das Einkommen, das die Menschen von den Nussbäumen in den Waldgebieten erhalten, und verringern die Wahrscheinlichkeit einer Entwaldung. Durch multifunktionale Landnutzungsmodelle können die Menschen Waldprodukte nachhaltig nutzen. Das verhindert nicht nur die Entwaldung, sondern bietet gleichzeitig die Chance, bessere wirtschaftliche und soziale Bedingungen zu schaffen. Es ist von zentraler Bedeutung aufzuzeigen, dass die Menschen den Regenwald als Lebensgrundlage nutzen und ihre Lebensbedingungen verbessern können, ohne ihn abzuholzen. Wird diese wichtige Arbeit nicht geleistet, sind die Bäume in Gefahr.

Challenge 1

Gesunde Wälder zum Nutzen der Bevölkerung

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